Columba und Columbina
Wissen ist mehr. Dr. med. Jörg Cuno, Palliativmediziner, ist Gründer des Palliativ Portals und Gründer der Palliativ Akademie Bamberg. Und nicht zu vergessen, Herausgeber der beiden Fachmagazine Columba und Columbina. Palliative Themen für große und kleine Menschen.
Folgende Textveröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Jörg Cuno.
Immer wieder höre ich Aussagen auch in unserem Palliativbereich, die mich fassungslos machen. Dann zum Beispiel, wenn von "schwierigen Patienten oder Angehörigen" gesprochen wird. Oder, wenn wir doch die Patienten "dort abholen sollten, wo sie stehen", bzw. wenn es heißt, die Menschen "müssten doch kämpfen oder auch umgekehrt endlich loslassen"... Diese leeren Phrasen, diese Worthülsen drücken doch ganz oft eigentlich nur unsere Unfähigkeit aus, bestimmte Situationen auszuhalten oder zu ertragen.
Meiner persönlichen Meinung nach gibt es weder schwierige Patienten noch Angehörige. Viel mehr sind es Menschen in schwierigen Situationen. Auch müssen wir die Menschen nicht dort abholen, wo sie stehen, es sei denn, wir arbeiten für ein Taxiunternehmen. Vielmehr gilt es, einfach bei ihnen zu sein - im übertragenen wie im wirklichen Sinne -, sie zu stützen und für sie Anlaufstelle zu sein mit ihren Fragen, Ängsten, Sorgen und Nöten. Am heftigsten finde ich jedoch die Aussage, die Menschen müssten loslassen.
Ich frage mich dann immer: Wer lässt den gerne den Menschen los, den er liebt? Wer gibt den gerne die Liebe frei, die ihn ein Leben lang begleitet hat, für die er gelebt hat und für die er vielleicht alles gegeben hat bzw. die ihm alles gegeben hat? Wer möchte den gerne etwas aufgeben, hergeben, verlieren? Und wer sagt, das das sein muss...Dabei geht es gar nicht darum, an allem festzuhalten, sondern Halt zu finden in dieser schier unaufhaltsamen Zeit. Was wir in diesen Situationen dann anbieten können, ja anbieten sollten, sind auch ein offenes Ohr und eine offene Hand, damit die Menschen sagen können, was sie bedrückt und sich gehalten fühlen dürfen, solange sie es wünschen. Das ist ein oftmals unglaublich schwieriger Prozess. Für beide Seiten. Die des Patienten und die seiner Zugehörigen.
Wir als Therapeuten können dann nur bedingt in diese sensiblen Verbindungen eingreifen. Was wir aber tun können, ist in der Wahrnehmung dieses leidvollen Moments, die Betroffenen darin zu unterstützen, ihre Ängste und Sorgen kundzutun und letztlich mit auszuhalten, damit ein friedvolles miteinander Gehen und zuletzt voneinander Gehen möglich sind...
Herzlichen Dank an Jörg Cuno für diese wundervollen Worte.
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*Wissen ist mehr. Klarheit und Wahrheit. Die Wissenwert Beiträge geben meine persönlichen Meinungen, Erfahrungen und Wissen weiter. Ich werde für die Beiträge in keiner Weise mit Sach- oder Geldspenden entlohnt.